Date: 2013.03.22 | Category: IHF | Tags:

Der folgende Text von Joachim Mölter entstammt der ‘Süddeutschen Zeitung’ vom 21.3.2013:

Zwei Protokolle von einer Sitzung

Ein nachträglich eingefügter Satz in Briefen des Weltverbandes IHF empört die europäischen Handball-Klubs: Sie fühlen sich unter Druck gesetzt, um Geld für ihre WM-Spieler zu bekommen – und wehren sich auf breiter Basis

VON JOACHIM MÖLTER

München – Auf einem Konto des Handball-Weltverbandes IHF liegen 243 831,22 Schweizer Franken, rund 200 000 Euro, und warten darauf, überwiesen zu werden. Als Empfänger ist der Deutsche Handballbund (DHB) vorgesehen, der das Geld an diejenigen Bundesliga-Klubs weiterleiten soll, die im Januar Profis für die Weltmeisterschaft in Spanien abgestellt haben. 56 waren es, die dann für zwölf verschiedene Länder antraten. Die Einzelbeträge sind gestaffelt zwischen 1666,66 und 8675 Franken, je nach Dauer des WM-Aufenthalts sowie der Platzierung des jeweiligen Nationalteams. Die Auszahlung ist aber an eine Bedingung geknüpft: „Der Rat (der IHF; Anm. d. Red.) hat zugestimmt, die Entschädigungsgebühr nur an diejenigen Klubs zu bezahlen, die sich bereit erklären, direkt mit der IHF zusammenzuarbeiten, nur durch die nationalen Verbände.“

So steht es geschrieben in einem Brief der IHF vom 18. Februar an ihre europäischen Mitgliedsverbände, mit dem ausdrücklichen Hinweis für die Vereine, „dass das Geld nach Erhalt der beigefügten Einverständnis-Erklärung ausgezahlt wird“.

So hat es der Rat der IHF, das höchste Gremium zwischen den Wahlen, aber nie beschlossen. Ganz im Gegenteil.

Und deshalb denken die Klubs in Deutschland auch nicht daran, die geforderte Erklärung zu unterschreiben; kaum ein Verein in Europa tut das. Zumindest keiner, der dem „Forum Club Handball“ angehört, kurz: FCH, einer Vereinigung von mehr als 70 Klubs. Deren Geschäftsführer Gerd Butzeck sagt über den genannten Passus: „Die FCH-Mitgliederclubs betrachten dies als eine direkte Erpressung.“

In der Tat ist der Vorgang dubios. Er hat die langjährige Auseinandersetzung zwischen dem FCH und dem Weltverband, speziell dessen Präsidenten Hassan Moustafa, verschärft. In der Sache geht es darum, dass die Klub-Vereinigung ein Mitspracherecht fordert über Termine, Versicherung ihrer Spieler bei Turnieren und die Entschädigung für die Lohnfortzahlung. Die internationalen Fußball-Organisationen Fifa und Uefa sowie der europäische Handball-Verband EHF haben das ihren Vereinen längst zugestanden. Aber Moustafa weigert sich beharrlich, mit dem Handball-Forum zu reden. Ende 2012 habe der 67 Jahre alte Ägypter, der die IHF seit 2000 regiert, jegliche Kommunikation mit dem FCH eingestellt, sagt Butzeck. Vor diesem Hintergrund kann man das Verhalten des machtbewussten Moustafa als Versuch interpretieren, das Begehren des FCH zurückzuweisen: Mit dem Lockruf des Geldes sollen die Klubs offenbar auseinander dividiert und das FCH geschwächt werden.

Eine kleine Chronologie der Ereignisse: Anfang Oktober 2012 lud Hassan Moustafa ausgewählte Vereinsvertreter, natürlich keine aus dem FCH, in die IHF-Zentrale nach Basel, um mit ihnen die Abstellungsgebühren für die WM zu besprechen. Bei der Sitzung des IHF-Rates, dem Council, am 1. November wurden dann entsprechende Beschlüsse gefasst. Von dieser Sitzung, so erinnert sich der Franzose Jean Brihault, Präsident des europäischen Verbandes EHF und als solcher Council-Mitglied, habe er später zwei verschiedene Protokolle erhalten: Im zweiten sei plötzlich der eingangs erwähnte Satz eingefügt gewesen. Und der stand auch in einem von Moustafa unterzeichneten Schreiben der IHF vom 18. November an die nationalen Verbände. „Der Satz hat politische Brisanz“, sagt Brihault: „Man kann ihn so interpretieren, dass Druck auf die Klubs ausgeübt werden soll.“ Nämlich Druck, aus dem Forum Club Handball auszuscheren.

Bei der nächsten Zusammenkunft des 17-köpfigen IHF-Rates in Barcelona, Ende Januar am Rande der WM, monierte Brihault diese Passage jedenfalls. Auf Vorschlag von Hassan Moustafa selbst, so heißt es, sei sie aus dem Protokoll gestrichen worden. Und zwar einstimmig.

Dass sie dann knapp drei Wochen später wieder auftauchte, in dem eingangs erwähnten Brief vom 18. Februar, hat die Repräsentanten des FCH empört. „Die IHF hat den Satz wieder reingeschrieben, wohlwissend, dass das nie beschlossen worden ist“, sagt Gerd Butzeck. Für EHF-Chef Brihault gibt es nun zwei Möglichkeiten: „Entweder es handelt sich um einen Fehler der Verwaltung“, sagt er, „oder um etwas anderes.“ Was dieses andere sein könnte, lässt er offen. „Einen Verwaltungsfehler kann man leicht korrigieren“, sagt Brihault nur.

Genau das scheint die Strategie von IHF-Chef Moustafa zu sein. In seiner jüngsten Mitteilung aus Basel an die Verbände bemühte er sich am Wochenende jedenfalls, „Erläuterungen zur Klarstellung zu geben, um weitere Missverständnisse zu vermeiden“. Auf einmal war nur noch die Rede davon, dass die IHF eine Art Empfangsbestätigung von den Klubs brauche, dass sie das ihnen zugedachte Geld auch tatsächlich bekommen. Ohne weitere Bedingung.

Zu dem Sinneswandel hat wohl ein Schreiben des „Professional Handball Board“ (PHB) vom 6. März beigetragen. Im PHB sind innerhalb der EHF alle möglichen Handball-Interessen in einem Gremium gebündelt: die der Klubs, der Ligen, der Nationalverbände, der Spielergewerkschaft. Auf dieser breiten Basis wurde die IHF aufgefordert, die Abstellgebühren unverzüglich anzuweisen. Der Spanier Joan Marin, Vorsitzender des PHB und für Atletico Madrid im FCH-Vorstand, sagt: „Ich glaube, es war ein schwerer Fehler, wie die IHF die Situation gemanagt hat. Es war eigentlich alles ganz einfach, nun ist alles kompliziert.“ Inzwischen habe er jedoch Signale erhalten, dass die IHF die avisierten Summen demnächst fließen lasse – „ohne dass wir irgendwas unterschreiben“. Schließlich, so Marin weiter, „haben wir die Spieler bereitgestellt und damit unsere Leistung erbracht. Wir haben auch keine Angst, deswegen vor Gericht zu ziehen“.

Es sieht so aus, als würde Moustafa diese Runde im Machtkampf an die Klubs verlieren. Aber der Konflikt ist deswegen noch lange nicht vorbei. Das FCH bereitet eine Klage vor Gericht vor, mit der es die IHF letztlich zu Gesprächen zwingen will. „Wir hätten gern eine schriftliche Vereinbarung mit dem Weltverband“, bekräftigt Marin. Bislang gewährt die IHF alle Zugeständnisse wie die Abstellungsgebühren ja nur so: mündlich, einseitig und nach Gutdünken.

 

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