?Herr Schmäschke, zunächst einmal Gratulation, ab heute sind Sie Präsident der SG! An Ihrem ersten Amtstag treten auch die neuen ‚IHF Regulations for Transfers‘ in Kraft. Welche Änderungen ergeben sich daraus für die Clubs?
Danke für die Blumen. Ich wünsche meinem Nachfolger Holger Glandorf alles Gute.
Die Änderungen für die Clubs sind relativ einfach zu beschreiben: Wenn ein Spielervermittler die Interessen eines Spielers vertritt, dann muss der Spieler seinen Agenten bezahlen.
?Das klingt zunächst einmal logisch. Wo ist die grosse Änderung?
Die grösste Änderung ergibt sich für die Spieler. In der Vergangenheit gab es in der Regel keine Zahlungen vom Spieler an seinen Agenten. Die Klubs haben den Vermittler bezahlt. Künftig wird das laut IHF Regulations anders sein: Der Spieler und sein Agent müssen sich darauf einigen, was der Spieler seinem Agenten bezahlt. Das ist frei verhandelbar und muss auch verhandelt werden. Es wird wichtig, ob die Provision zB im 2. und 3. Jahr eines 3-Jahres-Vertrags die gleiche ist, wie im 1. Jahr. Wird die Provision vom Brutto- oder vom Nettogehalt gezahlt, wie sieht es mit Prämien aus? Wie lange läuft die Vereinbarung? Ist sie auf eine gewisse Liga, zB die ASOBAL oder die Dänische 1. Liga beschränkt? Was genau leistet der Agent für den Spieler? Was passiert, wenn der Agent dem Spieler kein passendes Angebot unterbreitet?
Die Spieler sollten künftig für den Abschluss eines Vertrages mit einem Agenten einen Anwalt hinzuziehen. In der Vergangenheit war diese Vereinbarung mehr oder weniger ‚pro forma‘ …
?Also müssen die Spieler jetzt selber mit ihrem Agenten verhandeln?
Ja, genauso ist es. In der Vergangenheit haben die Klubs, grob gesprochen, dem Spieler 90% und dem Agenten 10% gezahlt. In Zukunft bekommt der Spieler 100%, muss davon aber seinen Agenten bezahlen. Er kann also mit mehr – aber auch mit weniger – Netto am Ende des Jahres dastehen.
?Bei dem neuen System fallen mehr Steuern an!?
Auch das ist richtig. Aber für die Vereine ändert sich nichts. Sie hatten vor der neuen Regelung 100% Geld für einen Spieler incl. Vermittler zur Verfügung und werden dies künftig auch haben. Wenn der Staat die Steuern, oder eine Versicherung die Prämie erhöht, hat der Verein ja auch nicht plötzlich 105% zur Verfügung – nur weil die Versicherung teurer geworden ist. Für die Clubs ändert sich also nichts. Ein Club hatte vorher 100% Geld für einen Spieler und wird das auch künftig haben. Wenn – ob der neuen Regelung – plötzlich jemand 105% für einen Spieler ausgibt, dann hat der ein anderes Problem.
?Verstanden. Bleibt noch die Frage nach den Spielervermittlern.
Den Spielervermittlern gefällt die neue Regelung nicht. Sie werden künftig in einem direkten Konkurrenzverhältnis stehen, was bisher so nicht der Fall war. In der Vergangenheit haben alle Agenten ihrem Spieler in der Regel nichts berechnet. Künftig wird es unterschiedliche Prozentsätze geben. Die Spieler werden die Leistungen der Agenten vergleichen.
Die Spielervermittler haben eine Vereinigung gegründet, um die neue Regelung abzuwenden. Unser Geschäftsführer vom Forum Club Handball, Gerd Butzeck, hat sich mit zweimal mit Vertretern des Vorstandes zu jeweils einem längeren Gespräch getroffen und die Situation erläutert.
Für die guten Spielervermittler wird sich nicht viel ändern. Die Notwendigkeit von Spielervermittlern ist ja unbestritten. Sie werden weiter gutes Geld verdienen. Die Rechnung geht halt ab jetzt an den Spieler.
Einige Spielervermittler versuchen gerade, Unruhe bei den Clubs zu stiften. Sie behaupten, das dieser oder jener Club weiter den Spielervermittler bezahlt. Ich habe schon entsprechende SMS gesehen, die uns vertraulich zugesendet wurden. Die grossen Clubs haben sich bereits abgesprochen werden sich sicher an die Regelung halten, die kleineren werden folgen. Da bin ich mir sicher.
Es wird eine Weile dauern, bis das System von allen verstanden ist. Der FC Barcelona verfährt in allen Sportarten, also im Fussball, Basketball und im Handball, schon seit 4 Jahren so. Mehr oder weniger gezwungener Maßen, da die Steuerbehörden nicht mehr mitgespielt haben. Sie haben die Rechnung der Spielervermittler nicht mehr als abzugsfähig anerkannt, da der Vermittler die Leistung in der Regel für den Spieler erbringt – und nicht für den Club.
? Wie sieht das System eigentlich in anderen Sportarten aus?
Im Fussball läuft das mehr oder weniger so, wie bislang im Handball. Die Auswüchse sind jedem Sportfan bekannt. Es gibt Bestrebungen, ua auch von deutschen Topclubs, unser Modell zu übernehmen. Im Fussball ist das System halt komplexer, Transfersummen spielen eine grosse Rolle und sorgen für Diskussionen.
Im Basketball wird seit dem 1.1.22 auch das Bestellerprinzip angewendet, in der Schweizer Eishockeyliga schon seit dem 1.7.21. So neu und verwunderlich ist das alles also nicht.
Im Amerikanischen Sport haben die Spieler schon immer den ‚Players‘ Agent‘ bezahlt. Die Amis schütteln über unser bisheriges System nur den Kopf.
?Und wie geht es jetzt weiter?
Wir können uns das ja nicht aussuchen. Die Regelung ist vom Weltverband IHF beschlossen und tritt am 1.7.22 in Kraft. Die grosse Mehrheit der Klubs wird die Regelung anwenden, einige werden versuchen zu tricksen. Aber die machen sich natürlich von Spieler und Spielervermittler abhängig/erpressbar. Wir als SG werden das nicht tun, weil wir die Regularien respektieren und für richtig halten.
Und momentan betrifft es ja erstmal niemanden wirklich, da fast alle schon einen Vertrag für die nächste Saison haben. Es geht um die neuen Verträge, die ab jetzt geschlossen werden ….
? Danke für das Gespräch.